11. Oktober 2018

Der große Traum von den Paralympischen Sommerspielen.

Marcus Laudan sitzt seit seinem fünften Lebensjahr im Rollstuhl. Für ihn ist dies aber kein Grund, sich körperlich zu schonen. Ganz im Gegenteil: Der 26-Jährige, der im Mercedes-Benz Bank Service Center in Berlin als Werkstudent arbeitet, spielt sehr erfolgreich Rollstuhltennis und möchte hoch hinaus. Sein Ziel: Die Paralympischen Sommerspiele 2020 in Tokio.

Handicap - na und! Marcus Laudan sitzt im Rollstuhl und spielt sehr erfolgreich Tennis.

Handicap - na und! Marcus Laudan sitzt im Rollstuhl und spielt sehr erfolgreich Tennis.

Manchmal, wenn ich meine Augen schließe, dann sehe ich mich schon in Tokio. Volles Stadion, donnernder Applaus, Feuerwerk am Himmel, und über mir flattert die deutsche Fahne im lauen Abendwind. Da kriege ich echt Gänsehaut!

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg: Ich muss in den kommenden beiden Jahren an der Mannschafts-Weltmeisterschaft, dem „World Team Cup“, teilnehmen. Und am Ende brauche ich eine Platzierung unter den besten zwölf Spielern der Welt, um mich für die Paralympics zu qualifizieren. Dafür trainiere ich jeden Tag beim Tennisclub Grünweiß Baumschulenweg oder bei den Zehlendorfer Wespen – das sind die zwei einzigen barrierefreien Tennisklubs in Berlin.

Mit seinem Zwillingsbruder teilt er nicht nur das gleiche Schicksal, sondern auch die Leidenschaft für Tennis.

Mit dabei ist auch mein Zwillingsbruder Max, mit dem ich neben dem Schicksal meiner körperlichen Einschränkung auch eine Wohngemeinschaft teile. Und wir beide träumen von einer Teilnahme an den Paralympischen Spielen. Am liebsten würden wir im Einzel und im Doppel um Medaillen kämpfen. Max ist sogar noch einen Ticken besser als ich und hat es schon mal in die Top 20 der Welt geschafft. Ich stand neulich im Finale der USIF Swedish Open in Uppsala. Das war bisher mein größter Erfolg – auch wenn ich mich am Ende knapp geschlagen geben musste. Ich hoffe, dass ich in diesem Jahr erstmals ein Turnier gewinnen kann. Pro Jahr nehme ich an bis zu zehn Wettkämpfen teil.

Marcus (links) und sein Zwillingsbruder Max träumen von einer Teilnahme an den Paralympischen Spielen.

Marcus (links) und sein Zwillingsbruder Max träumen von einer Teilnahme an den Paralympischen Spielen.

Der Sport hilft mir, mit meiner Krankheit zurechtzukommen. Als mein Bruder und ich drei Jahre alt waren, wurde bei uns Multiple epiphysäre Dysplasie diagnostiziert. Das ist eine Knochenwachstumsstörung. Die Krankheit ist sehr selten, und in Deutschland sind nur ein Dutzend Menschen betroffen. Unsere Beine wuchsen nicht normal, und wir waren viel kleiner als die anderen Kinder. Später entwickelten wir so starke Schmerzen in den Beinen, dass wir nicht mehr laufen konnten. Jedes halbe Jahr mussten wir ins Krankenhaus und wurden operiert. Oft hieß es: "Okay, das war's, dieses Mal kannst du danach wieder laufen!" Doch dann kam die nächste Operation, und wir fingen wieder bei null an. Keine Muskeln, keine Funktion in den Beinen. Das alles war sehr frustrierend und ohne die Unterstützung unserer Eltern nicht vorstellbar.

Als ich in den Rollstuhl kam, wurden alltägliche Situationen, wie etwa das Überwinden einer Bordsteinkante, zur Herausforderung. Mein Zwillingsbruder und ich übten im Garten das Fahren und Springen auf den Hinterrädern. Auch wenn wir anfangs oft scheiterten und aus dem Rollstuhl fielen, sind wir heute wahre Spezialisten darin und haben uns so Schritt für Schritt den Alltag zurückerobert.

Das große Ziel - Die Paralympischen Spiele 2020:

Das große Ziele und Traum von dem Mitarbeiter der Mercedes-Benz Bank ist es an den Paralympischen Spielen 2020 in Tokio teil zu nehmen.

Ja, ich saß im Rollstuhl. Aber warum sollte ich mich für den Rest meines Lebens abkapseln, während andere Spaß haben und ihr Leben genießen? Nachdem sich das alltägliche Leben “normalisiert“ hatte, fand meine Mutter im Internet einen Tennisverein für Rollstuhlfahrer. Ich dachte mir, das probierst du jetzt einfach mal aus! Ich war ohnehin seit meiner frühesten Kindheit sportlich und hatte unter anderem Tischtennis gespielt. Und nachdem ich den ersten Ball geschlagen hatte, wusste ich: Das ist der geilste Sport überhaupt! Das ist jetzt 14 Jahre her.

Im Grunde genommen funktioniert Rollstuhltennis genau wie klassisches Tennis. Der einzige Unterschied: Der Ball darf zwei Mal aufkommen, bevor er zurückgeschlagen wird. Rollstuhl fahren und gleichzeitig Tennis spielen, das war anfangs eine sehr große Herausforderung. Und da das Spielfeld recht groß ist, hatte ich auch Mühe, alles abzudecken – zumal der Ball beim Aufschlag schon mal mit bis zu 200 Stundenkilometern über das Netz fliegt. Aber man lernt schnell, geschickter zu fahren und sich strategisch zu positionieren. Am meisten liebe ich am Tennis, dass man richtig beobachten kann, wie man besser wird. Und je härter man trainiert, desto mehr wird man belohnt. Dadurch bekam ich wieder das Gefühl, mein Leben unter Kontrolle zu haben. 

Marcus: "Das Spielfeld ist recht groß, sodass ich anfangs Mühe hatte, alles abzudecken. Aber man lernt schnell, sich strategisch zu positionieren."

Marcus: "Das Spielfeld ist recht groß, sodass ich anfangs Mühe hatte, alles abzudecken. Aber man lernt schnell, sich strategisch zu positionieren."

Klar, es gibt manchmal Tage, da fällt es mir schwer, mich zu motivieren. Aber so ergeht es schließlich jedem, der Sport treibt. Man hat eben auch schlechte Phasen. Ein typischer Tag bei mir beginnt um 6 Uhr. Dann ist zwischen 7 Uhr und 9 Uhr Training angesagt, bevor es danach direkt zur Arbeit geht. Das erfordert viel Selbstdisziplin. Aber immer wenn ich an den Wettkampf denke, dann ist es wie eine Sucht – ich möchte mich mit anderen messen und zeigen, was ich kann.

Rollstuhltennis ist ein teurer Sport. Ich habe bis jetzt nur wenige Sponsoren gefunden und muss die Trainingsstunden aus eigener Tasche bezahlen. Und dann sind da noch die Kosten für den Sportrollstuhl. Für einen Neuen muss man 8.000 Euro hinblättern. Die Krankenkasse kommt nur für den normalen Rollstuhl auf. Mit dem kann man aber natürlich kein Tennis spielen. Deshalb bin ich unheimlich dankbar, dass die Mercedes-Benz Bank mich bei der Anschaffung eines neuen Sportrollstuhls unterstützt hat. Überhaupt bin ich sehr froh, dass ich hier die Möglichkeit habe, Arbeit, Sport und mein BWL-Studium unter einen Hut zu bekommen.

"Ich suche keine Entschuldigungen und blicke immer nach vorne!"

Der Sport, meine Familie und Freunde lassen mich komplett vergessen, dass ich im Rollstuhl sitze. Ich suche auch keine Entschuldigungen für meine Situation und blicke immer nach vorne. Ich finde, wenn man ständig nach Ausreden sucht, dann wird man nie erfahren, wieviel man erreichen kann.

Und ich möchte noch viel erreichen in meinem Leben – auch als Sportler. Da wäre zum Beispiel die Sache mit dem vollen Stadion in Tokio, dem donnernden Applaus und dem Feuerwerk am Abendhimmel.

 

Mehr Information zu Marcus und seinem Weg zu den Paralympics gibt es hier.